Mit Erschrecken und Bedauern hat Susanne Kränzle, die Vorsitzende des Hospiz- und PalliativVerband Baden-Württemberg e. V., gestern in Karlsruhe die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Verfassungsbeschwerden zum „Sterbehilfeparagraphen“ § 217 StGB aufgenommen. Wurde 2015 die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verboten, wurde dieses Vorgehen gestern für nichtig erklärt, was bedeutet, dass §217 StGB ab sofort nicht mehr gültig ist.

Es gilt nunmehr für jeden Menschen das Recht, sein Leben „selbstentschieden“ zu beenden, was nicht an eine Erkrankung gebunden ist, sondern auch andere Gründe haben kann, solange der Suizidwillige „frei entschieden“ handelt. Begründet wird dies mit der vom Grundgesetz gewährleisteten, unbedingten Autonomie des Menschen, die auch die Freiheit zum Suizid einschließe und die Freiheit, dafür Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen zu können. Sterbehilfeorganisationen und Sterbehelfer, die ab 2015 in Deutschland nicht mehr tätig sein durften, können seit gestern ihre „Dienstleistungen“ wieder anbieten.

Gleichwohl erkannte das Gericht an, dass alle Bedenken, die vom Gesetzgeber zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe vorgebracht worden waren – dass aus Kosten- und Nützlichkeitserwägungen heraus Druck auf alte und kranke Menschen ausgeübt, der Suizid zu einer „normalen Option“ werden könne usw. -  durchaus berechtigt seien. Daher bedürfe es einer Reglementierung der Suizidbegleitung durch den Gesetzgeber, z. B. durch die Einführung einer Beratungspflicht oder von Wartefristen, in deren Verlauf die Ernsthaftigkeit des Sterbewunsches deutlich werden könne. Auch müssten die Berufsordnungen der Ärzte oder das Betäubungsmittelgesetz auf den Prüfstand gestellt werden, damit Ärzte und Ärztinnen faktisch Beihilfe zum Suizid leisten könnten. Die bisherige Regelung „entleere“ die theoretische Möglichkeit, Suizidbeihilfe eines Arztes zu erhalten, stellte das Bundesverfassungsgericht fest, daher sei sie nicht haltbar.

Es stehe zu befürchten, so Susanne Kränzle, dass Beihilfe zum Suizid nun eine als ganz normal angesehene Leistung würde, die eine „Therapie“-Option unter anderen sei und daher Menschen sich aufgefordert fühlen würden, sich für diese Möglichkeit zu entscheiden. Das könne nur bedeuten, so Kränzle, dass die Hospizbewegung die Hospiz- und Palliativangebote noch bekannter und verlässlicher zu machen habe. Die Erfahrung in den Hospizen sei die, dass Menschen, die gut ver- und umsorgt seien, keine anhaltenden Sterbehilfewünsche hätten. Hospize hätten viel zu bieten, vor allem auch ein Verständnis, das das Leben als unverfügbar ansähe.
„Der Hospiz- und PalliativVerband Baden-Württemberg e. V. wird gemeinsam mit dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband e.V. und anderen Verantwortlichen alles tun, damit Hospize weiterhin Rahmenbedingungen haben, die für begleitete Suizide keinen Raum bieten, sondern Orte bleiben, an denen Menschen bis zuletzt gut leben können, begleitet, umsorgt, optimal palliativ behandelt, in keiner Weise in Frage gestellt“, sagt Susanne Kränzle. Das heiße wiederum nicht, dass nicht die Fragen, Wünsche, Nöte und Ängste der Menschen zum Thema Sterbehilfe aufgenommen würden. Doch die Hospizbewegung sei auf ein gutes Leben bis zuletzt und nicht auf die Verkürzung des Lebens ausgerichtet.


Der Hospiz- und PalliativVerband Baden-Württemberg e.V. (HPVBW) ist der Dachverband der Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Baden-Württemberg. Er setzt sich für die Belange schwerkranker und sterbender Menschen ein und ist die Interessenvertretung der Mitgliedseinrichtungen auf Landes- und Bundesebene.
Kontakt: Hospiz- und PalliativVerband Baden-Württemberg e. V.
Susanne Kränzle, 1. Vorsitzende - E-Mail: info [at] hpvbw [Punkt] de - https://hpvbw.de

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